Menstruationszelt auf Festival polarisiert
Mitten im Trubel bietet das „Immergut Festival“ einen Rückzugsort für menstruierende Menschen - mit Wärmflaschen, Yogamatten und fließendem Wasser.
Mitten im Trubel bietet das „Immergut Festival“ einen Rückzugsort für menstruierende Menschen - mit Wärmflaschen, Yogamatten und fließendem Wasser.
Festivals stehen für Ausnahmezustand. Für laute Musik, wenig Schlaf, enge und zumeist dreckige Dixi-Klos und lange Schlangen vor allem, was irgendwie sauber ist. Für viele ist genau das der Reiz - für menstruierende Menschen aber häufig auch eine Belastung. Denn wer mitten im Festivalwochenende seine Periode bekommt, muss mit viel Improvisation und wenig Rücksicht rechnen.
Das Immergut Festival, das jedes Jahr Ende Mai in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) stattfindet, will das ändern - und hat 2025 erstmals ein Menstruationszelt eingerichtet. Ein Rückzugsort für all jene, die inmitten von Indie-Klängen, Campingchaos und Festivalstaub einfach mal kurz eine Pause mit Wärmflasche, ein stilles Eckchen und Ruhe oder eine Toilette mit fließendem Wasser brauchen.
Menstruationszelt mit Periodenprodukten und fließendem Wasser
In Kooperation mit „einhorn berlin“ - einem Hersteller von nachhaltigen Periodenprodukten und Kondomen - entstand ein Raum, der nicht nur funktional, sondern auch bewusst gemütlich gestaltet ist: mit Yogamatten, Teppichen, Tee, Lesestoff und Ruhe. Kostenlos bereitgestellte Tampons, Binden und Menstruationstassen gehören genauso dazu wie saubere, menstruationsfreundliche Toiletten mit Wasseranschluss - ein seltener Luxus auf Festivals, die sonst oft nur auf Dixi-Toiletten setzen.
Das Angebot traf bei vielen Besucher:innen einen Nerv. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auf Festivals fast nie fließendes Wasser gibt - gerade beim Wechseln von Menstruationsprodukten ist das ein Problem“, so eine Festivalbesucherin. Andere lobten, wie wohltuend es sei, einen Raum zu haben, in dem man einfach mal durchatmen kann, ohne sich erklären zu müssen.
Die Idee eines Menstruationszelts ist nicht neu. Schon 2019 berichtete der Stern über ein sogenanntes „Red Tent“ auf dem Feel Festival - und die teils harschen Reaktionen darauf. Unter dem Titel „Es gibt ja auch kein Zelt fürs gemeinsame Pupsen“ wurden damals vor allem männliche Stimmen zitiert, die das Angebot belächelten oder als ungerecht empfanden: „Ich will auch kostenlose Produkte - krieg ich aber nicht“, „Warum brauchen die überhaupt ein eigenes Zelt?“
Diese Haltung zeigt: Für viele ist Menstruation noch immer etwas, das bitte im Stillen und Unsichtbaren stattfinden soll. Ein extra Raum? Ein No-Go. Vor allem für Männer, die sich benachteiligt fühlen.
Bewusstseinsarbeit zwischen Konzerten
Das Immergut Festival setzt dabei weniger auf Aufklärung durch Workshops, wie es bei anderen Events der Fall war, sondern auf konkrete Hilfe und Rücksichtnahme. Das Zelt wurde genau so angenommen, wie das Festivalteam es sich gewünscht hatte: unkompliziert, dankbar, ganz selbstverständlich.
Fanny vom Organisationsteam zieht ein positives Fazit: „Dieser Raum wird genauso genutzt, wie wir es uns gewünscht haben - es ist ein bisschen ein Selbstläufer geworden.“
Für viele war es nicht nur ein Ort für Selbstfürsorge, sondern auch ein Signal: Menstruation gehört dazu - auch mitten im Festivalalltag. Und sie sollte nicht länger ignoriert oder romantisiert, sondern einfach ernst genommen werden. Was das Immergut in Neustrelitz geschaffen hat, ist mehr als ein schöner Wohlfühlraum: Es ist ein Platz für Sichtbarkeit, ein Statement gegen Stigmatisierung - und ein Vorbild für andere Festivals, wie Rücksicht nicht nur ein Buzzword bleibt, sondern konkret werden kann.