Influencer: 300-Millionen-Steuerbetrug in NRW
Rund 300 Millionen Euro sollen Influencer:innen in Nordrhein-Westfalen am Finanzamt vorbeigeschleust haben. Jetzt ermittelt der Staat.
Rund 300 Millionen Euro sollen Influencer:innen in Nordrhein-Westfalen am Finanzamt vorbeigeschleust haben. Jetzt ermittelt der Staat.
Sie verdienen mit Likes, Followern und Werbedeals teils zehntausende Euro im Monat - doch über Geld spricht man ja nicht - vor allem nicht gegenüber dem Staat. Wie das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) jetzt bekannt gegeben hat, sollen Content Creator:innen - allein in Nordrhein-Westfalen - rund 300 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben.
Das Influencer-Team des LBF analysiert derzeit 6.000 Social-Media-Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abo-Modellen und digitalen Produkten hinweisen. Gemeint sind nicht die kleinen Hobby-Accounts mit ein paar Produktempfehlungen, sondern große Profile mit professionellen Strukturen.
Behördenleiterin Stephanie Thien betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben. Das LBF NRW hat auch auf den sozialen Netzwerken die großen Fische im Visier.“
Briefkastenfirmen & falsche Wohnsitze: Influencer umgehen gezielt die Steuerpflicht
Viele der Beschuldigten sollen gezielt versucht haben, sich der Steuerpflicht zu entziehen - etwa durch das Verschleiern ihres Wohnsitzes. Statt in Köln oder Düsseldorf wird dann plötzlich eine Adresse in Dubai angegeben.
Tatsächlich leben aber viele dieser Content Creator:innen weiterhin in NRW, verdienen ihr Geld jedoch über Briefkastenfirmen oder Konstrukte im Ausland. Thien schildert: „Es ist keine Seltenheit, dass eine Influencerin oder ein Influencer pro Monat mehrere zehntausend Euro verdient, aber nicht einmal eine Steuernummer hat. Da geht es nicht um Überforderung mit plötzlichem Ruhm, sondern um immense Steuerhinterziehung mit Wissen und Willen.“
Dass viele Influencer nach Dubai auswandern - zumindest offiziell - ist kein Zufall. Das Emirat erhebt keine Einkommensteuer, bietet schlanke Unternehmensstrukturen und einen Lifestyle, der zur Selbstinszenierung passt. Zudem gibt es kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland. Für einige wird Dubai so zum sicheren Hafen - zumindest, solange die deutsche Finanzverwaltung den wahren Aufenthaltsort nicht nachweisen kann.
Genau daran arbeitet das LBF aber jetzt mit Nachdruck. Das dort eingesetzte Influencer-Team nutzt neue digitale Ermittlungswege, um Content, Werbepartner und Zahlungsflüsse auch dann nachzuvollziehen, wenn Inhalte - etwa wie in Storys - nur kurzzeitig sichtbar sind.
Inzwischen sind rund 200 Verfahren gegen verdächtige Influencer aus NRW anhängig - Durchschnittlich geht es um fünfstellige Summen pro Fall, in einigen sogar um Millionenbeträge. Die Botschaft ist klar: Wer in Deutschland lebt und arbeitet, muss auch hier Steuern zahlen - ganz gleich, ob man in Anzügen auftritt oder in Instagram-Storys.