Arbeitgeber bezahlt Angestellte fürs Freunde treffen
In Schweden dürfen Angestellte einer Apothekenkette während der Arbeitszeit soziale Kontakte pflegen - bezahlt vom Unternehmen.
In Schweden dürfen Angestellte einer Apothekenkette während der Arbeitszeit soziale Kontakte pflegen - bezahlt vom Unternehmen.
Mitten in Örebro, einer Stadt westlich von Stockholm, leitet Roro Wirlander Beydoun eine Filiale von Apotek Hjärtat. Seit März 2025 hat er offiziell eine Stunde im Monat „Freundschaftszeit“ - bezahlt von seinem Arbeitgeber. „Ich telefoniere mit einem alten Freund oder trinke Kaffee mit jemandem, den ich lange nicht gesehen habe“, sagt Beydoun. Seine Kolleg:innen machen es ähnlich - sie nutzen die Zeit für Gespräche, Besuche oder kleine Gesten gegenüber Kund:innen, von denen sie wissen, dass sie allein leben.
Das Projekt heißt „Vanvard“ - eine Kombination aus dem schwedischen Wort für „Freundschaft“ und „Pflege“. Es ist angelehnt an das in Schweden gängige „Friskvard“-Modell, bei dem Arbeitgeber Gesundheitsmaßnahmen bezuschussen. Jetzt also auch psychische Gesundheit - durch echte soziale Nähe.
Die Apothekenkette hat bewusst auf einen unbürokratischen Ansatz gesetzt: keine Regeln, kein Tracking. Wichtig sei das Bewusstsein für das Thema und der Anstoß, sich aktiv gegen soziale Isolation einzusetzen. „Wir sehen täglich Menschen, die unter Einsamkeit leiden“, sagt Unternehmenschefin Monika Magnusson. „So wie wir körperliche Krankheiten ernst nehmen, müssen wir auch seelische Belastungen erkennen und behandeln.“
Einsamkeit als Volkskrankheit: Die Zahlen sind alarmierend
Und tatsächlich: Laut einer Studie der Public Health Agency of Sweden haben 28 % der einsamen Menschen Suizidgedanken, 24 % leiden unter schweren psychischen Erkrankungen. Die Regierung unterstützt daher seit 2023 gezielt Projekte zur sozialen Teilhabe – mit 300 Millionen Kronen jährlich (ca. 27 Mio. Euro).
Dass soziale Beziehungen nicht nur privat, sondern auch beruflich motivierend wirken, zeigt sich laut Apotek Hjärtat bereits: Die Stimmung im Team ist besser, die Bindung ans Unternehmen wächst.
In Deutschland gibt es bislang keine vergleichbare Initiative, bei der Unternehmen ihren Mitarbeitenden bezahlte Arbeitszeit für soziale Kontakte zur Verfügung stellen. Zwar wächst das Bewusstsein für die Folgen von Einsamkeit, doch der Fokus liegt hierzulande bislang vor allem auf älteren Menschen: Projekte wie das „Silbernetz“ oder der Verein „Freunde alter Menschen“ vermitteln Gesprächspartner:innen und Besuchsdienste für Senior:innen.
Auch in Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung 2024 mit dem Aktionsplan „Du + Wir = Eins“ erste politische Maßnahmen gegen Einsamkeit angestoßen.
Doch direkte betriebliche Ansätze wie in Schweden - bei denen mentale Gesundheit und soziale Nähe Teil der Unternehmenskultur werden - sind in Deutschland bislang selten.