Verkehrsschild
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Verkehrsschild
Verkehrs- und Sicherheitsschilder

Wichtige Botschaft, einfach verpackt

Einfachheit verlangt manchmal viel Mühe. Die Schilder entlang von Straßen oder auf der Arbeit sind das perfekte Beispiel. Hinter ihrer scheinbar simplen Gestaltung steht multidisziplinärer Aufwand.

Das muss jeder verstehen können! Deshalb sind solche Schilder so kunstvoll vereinfacht

Hast du mal versucht, deine Dateien auf dem Handy, deine Kleidung oder irgendeine andere Sammlung auszudünnen oder reduziert zu leben? Dann hast du dabei vielleicht eines festgestellt, dass das nicht immer so leicht umzusetzen ist.

Theoretisch sieht es ganz leicht aus – einfach Dinge entfernen bzw. weglassen, die man nicht braucht. Praktisch hingegen besteht die ziemliche Schwierigkeit darin, herauszufinden, welche Dinge man entfernen kann, ohne dass etwas Wesentliches verlorengeht.

Vor der gleichen Herausforderung stehen diejenigen, die für die Erstellung und Normierung zweier Arten von Schildern bzw. Zeichen verantwortlich sind:

Verkehrszeichen

Sie haben die Aufgabe, Verkehrsteilnehmer über unterschiedlichste relevante Anordnungen zu informieren. Ihre Beachtung ist gesetzlich verpflichtend. Aktuell gibt es in Deutschland knapp 700 unterschiedliche Zeichen, die sich in folgende Gruppen unterteilen:

  1. Gefahrzeichen: Informieren über allgemeine Gefahren sowie solche mit spezifischem Schienenverkehrsbezug.
  2. Vorschriftzeichen: Sind für Ver- und Gebote zuständig. Da diese Schilder Vorschriften machen, haben sie den Charakter einer Allgemeinverfügung. Ihre Wirkung ist daher ähnlich „stark“ wie ein verkehrsregelnder Polizist.
  3. Richtzeichen: Enthalten zwar ebenfalls Ver- und Gebote, dienen aber hauptsächlich der allgemeinen Verkehrserleichterung.
  4. Zusatzzeichen: Kommen nur in Kombination mit Zeichen der anderen Kategorien zur Anwendung und konkretisieren oder limitieren deren Geltungsbereich.

Sicherheitszeichen

Sie dienen der Unfallverhütung und dem Gesundheitsschutz und sind in vielen Ländern weltweit standardisiert. Der Einsatzbereich findet sich insbesondere an Arbeitsplätzen aller Art. Derzeit sind es gut 150 verschiedene Zeichen im Geltungsbereich der DIN EN ISO 7010. Der Guide des Sicherheits-Spezialisten SETON zeigt, wie sie grafisch aufgebaut sind. Auch diese Zeichen unterteilen sich in mehrere Gruppen:

  1. Gebotszeichen: Weisen auf ein bestimmtes sicherheitserhöhendes Verhalten hin.
  2. Verbotszeichen: Weisen auf ein zu unterlassendes Verhalten hin, das die Sicherheit beeinträchtigen würde.
  3. Warnzeichen: Weisen auf konkrete Gefahren hin.
  4. Rettungszeichen: Weisen auf Rettungswege und Notausgänge hin.
  5. Brandschutzzeichen: Weisen auf Brandmelde- und Löscheinrichtungen hin.

Beim Blick auf die Zeichen lässt sich eines schnell feststellen: Viele Schilder bestehen ausschließlich aus der Kombination von grafisch erfassbaren Elementen – etwa simplen geometrischen Formen oder etwas komplexeren Piktogrammen. Dementsprechend kommen sie ohne Zahlen und Buchstaben aus. Es genügt daher ein einziger Blick und nur wenig Nachdenken, um den Sinn der Zeichen zu verstehen.

Dass die Verkehrs- und Sicherheitszeichen so simpel gehalten sind und Worte nur reduziert eingesetzt werden, bringt somit einige Vorteile mit sich:

  • Das Erfassen einzelner grafischer Elemente geht wesentlich schneller als das Lesen von Worten. Das ist insbesondere im Straßenverkehr wichtig, denn je nach Tempo und örtlichen Umständen ist ein Schild nur für wenige Sekunden im Blick.
  • Einfache Piktogramme sind selbst aus größeren Distanzen leicht zu erkennen. Das gilt vor allem im Zusammenspiel mit Formen und Farben der Zeichen und ist erneut besonders im Straßenverkehr ein Vorteil. Schließlich kann man Schilder vielerorts nicht beliebig groß machen.
  • Ein grafisch simples Zeichen ist bei durchdachter Gestaltung schwieriger zu missverstehen bzw. zu missinterpretieren als das geschriebene Wort. Selbst die Zeichen, die (zusätzlich) Zahlen oder Worte enthalten, sind dahingehend schlicht – etwa Straßenschilder, die maximale Fahrzeugabmessungen oder -gewichte vorgeben.
  • Um das geschriebene Wort verstehen zu können, muss man des Lesens mächtig sein und die verwendete Sprache beherrschen. Dazu solltest du wissen, dass in Deutschland allein 6,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter nicht oder nur unzureichend lesen können.

Das heißt, man geht bei all diesen Zeichen und Beschilderungen bewusst den möglichst wortlosen Weg, weil sich die nötigen Informationen damit viel besser und schneller übertragen lassen.

Wie leicht eigentlich unnötiger Text verwirren kann, zeigt das in einigen englischsprachigen Staaten verwendete „YIELD“-Straßenschild. Mit dem grundsätzlichen Aufbau als auf der Spitze stehendes Dreieck mit rotem Rand und weißem Hintergrund erkennst du es vielleicht als Verwandten unseres deutschen „Vorfahrt gewähren!“-Schilds. Diesen Sinn hat auch das Yield-Schild.

Verschiedene Studien kamen allerdings zum Ergebnis, dass dieses Wort speziell Nichtmuttersprachler verwirren kann. Denn Yield hat besonders viele übersetzbare Bedeutungen. Sie reichen vom gewünschten „Vorfahrt gewähren!“ über „Gewinn“, „nachgeben“ und „einwilligen“ bis zu „Detonationswert“.

Obwohl die Zeichenform und -farbe weltweit als „Vorfahrt gewähren!“-Schild genutzt wird, enthält die Mehrheit keine schriftlichen Informationen. Schlicht, weil viele Länder solche sprachlichen Fehlerquellen komplett umgehen wollen.

Verkehrsschild
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Verkehrsschild

Hohe Informationsdichte ohne viel Nachdenken: Diese Wirkmechanismen kommen zum Einsatz

Wenn du im Rahmen deines Arbeitslebens in einer Sicherheitsunterweisung sitzt oder für den Führerschein lernst, wirst du vielleicht über die Vielzahl der Zeichen fluchen. Doch dahinter steckt ein schlüssiges System. Denn die meisten dieser Zeichen nutzen drei Mechanismen, um teils enorm umfassende Informationen zu vermitteln.

Farben

Kein Zeichen verwendet mehr als drei Farben, viele kommen mit zwei aus. Im Mindesten sind es die Hintergrundfarbe sowie ein weiterer Ton für das Piktogramm. Mitunter gibt es zwei unterschiedliche Farben für Hintergrund und Umrandung.

Der Grund für die Farbgebung ist hochinteressant – da vielfältig:

  1. Durch die Farbtöne selbst und durch ihre Kontrastwirkung zueinander lässt sich eine große Auffälligkeit bzw. Sichtbarkeit generieren.
  2. Verschiedene Farben haben in einem kulturellen Kontext eine feststehende Bedeutung. Rot beispielsweise ist eine natürliche Warnfarbe, die auf Abstand hält und einschüchtert. Daher kommt dieser Ton hauptsächlich bei Gefahrzeichen zum Einsatz.
  3. Indem man verschiedene Zeichen in Farbgruppen unterteilt, lässt sich bereits eine Grundinformation vermitteln, noch bevor die Form oder das Piktogramm sichtbar ist. In Deutschland beispielsweise haben deshalb die meisten Beschilderungen auf Autobahnen einen blauen Hintergrund, während die von Bundes- und Landstraßen gelb gehalten sind. Das gilt sogar in Kombination. Etwa, wenn entlang einer Bundesstraße auf eine Autobahn verwiesen wird.

Nicht alles davon ist selbsterklärend, aber das meiste. Außerdem stellt man bei Verkehrs- und Sicherheitszeichen durch vorher nötige Schulungen sicher, dass alle das Grundprinzip kennen, die aus beruflichen Gründen eine Sicherheitsunterweisung erhalten oder eine Fahrschule besuchen.

Formen

Viele Zeichen verwenden eine spezielle äußere Form. Aus Gründen einer leichten Unterscheidbarkeit kommen ausschließlich einfache geometrische Umrisse zur Anwendung. Primär sind das Kreise, auf der Spitze oder einer flachen Seite stehende gleichschenklige Dreiecke, Quadrate sowie Rechtecke. Das achteckige „STOP“-Schild ist eine Ausnahme von der Regel.

Im Gegensatz zu Farben gibt es für Formen keine derart etablierte kulturelle Bedeutung. In der Mehrheit dient die Geometrie deshalb nur der Einteilung von Schildern in bestimmte Zeichengruppen sowie zur Unterstützung der Erkennbarkeit aus der Distanz. Beispielsweise sind alle Warnzeichen auf der Arbeit ausnahmslos auf einer flachen Seite stehende Dreiecke. Für die Gebotszeichen verwendet man ausschließlich Kreise.

Piktogramme und Symbole

Diese grafischen Elemente stellen den Kern sämtlicher Zeichen dar. Sie sind eine Art „optischer Abkürzung“: Statt vieler geschriebener Worte erklärt eine relativ einfach gehaltene Illustration alles, worum es geht.

Der Unterschied zwischen Symbolen und Piktogrammen ist fließend. Symbole sind tendenziell (grafisch) einfacher und selbsterklärender. Piktogramme sind häufig komplexer aufgebaut und erfordern mitunter ein gewisses Vorwissen, um sie richtig deuten zu können.

Allerdings erfreut sich diese Unterteilung keinesfalls einheitlicher Zustimmung. Es ist deshalb vollkommen richtig, alle „Icons“ auf den Zeichen als Symbole oder Piktogramme zu bezeichnen.

Tatsächlich kann der Komplexitätsgrad dieser grafischen Darstellungen extrem gering sein. Denk beispielsweise an das Verkehrsschild, das Tempolimits aufhebt. Es besteht aus lediglich fünf diagonal über das Schild verlaufenden Linien. Viele andere Zeichen, die ein Verbot oder Ende aufzeigen wollen, nutzen ebenfalls diese leichtverständliche „Durchgestrichen“-Symbolik

Halt Stopp
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Halt Stopp

Semiotik: Die wissenschaftliche Disziplin hinter den Zeichen

Alle Verkehrs- und Sicherheitszeichen wurden teilweise über viele Jahre durch Fachgremien entwickelt. Wie schwierig deren Job sein kann, zeigt ein berühmtes Negativbeispiel.

Es ist das internationale Zeichen für Radioaktivität, bzw. ionisierende Strahlung. Das Zeichen und seine Bedeutung kennen wir, weil es uns jemand erklärt hat. Nicht, weil es von sich aus verständlich ist.

Das ist der Grund, warum die Grafik als ausgesprochenes Negativbeispiel gilt. Denn sie verletzt die wichtigste Regel solcher Zeichen: sie müssen selbsterklärend sein. Zwar wurde das Radioaktivitätssymbol in den 1940ern von Experten entwickelt, allerdings waren das US-Wissenschaftler aus dem Fachbereich Strahlung.

Seit der Erfindung des Symbols kam es daher trotz umfassender Verwendung zu mehreren teils katastrophalen Situationen im Umgang mit radioaktiven Materialien – etwa ein Fall im brasilianischen Goiânia. Bei den Ermittlungen zu diesen Vorfällen und unabhängigen Tests wurde immer wieder festgestellt, dass Menschen unterschiedlichster Herkunft und Bildungsniveaus das Strahlen-Zeichen nicht (er-)kennen oder fehlinterpretieren. Häufig wird es beispielsweise für einen drehenden dreiblättrigen Propeller gehalten.

Zumindest für besonders gefährliche Strahler ließ die Internationale Atomenergiekommission (IAEA) deshalb Anfang der 2000er Jahre ein ergänzendes Zeichen entwickeln. Es nutzt jetzt zusätzlich zum „Propeller“ die rote Gefahrenfarbe, fünf gezackte Pfeile, die für die Strahlung stehen sowie einen Totenkopf und eine mit Pfeil versehende weglaufende Person.

Die mehrjährige Entwicklung dieses Zeichens zeigt sehr gut, wie kompliziert es ist, einfache, aber dennoch aussagekräftige und mit hoher Informationsdichte versehene Zeichen zu erfinden:

  • Am Anfang stand lediglich die zu transportierende Botschaft: „Gefahr – sofort weglaufen – nicht anfassen!“.
  • Die IAEA trug ein Team von Spezialisten zusammen: Strahlenexperten, Grafiker, Soziologen, Statistiker, Human-Factors-Sachverständige. Sie entwickelten in fünfjähriger Arbeit 50 verschiedene Zeichen.
  • Diese 50 Entwürfe wurden an die Vienna International School in Österreich gebracht. Dort lernten zu dem Zeitpunkt Kinder aus über 80 Ländern, viele davon konnten noch nicht lesen. Mit Hilfe ihrer Bewertungen und Eingaben wurden die 50 Vorschläge auf 5 reduziert.
  • Die „Finalisten“ wurden durch Experten aller IAEA-Mitgliedsstaaten durchleuchtet. Dabei prüfte man, ob die Zeichen irgendwelche national/lokal missverständlichen oder als beleidigend empfundenen Botschaften transportierten. Das konnte man verneinen.
  • Die fünf Finalisten wurden anschließend dem globalen Marktforschungsinstitut Gallup übergeben. Es führte damit eine Studie mit 1.650 Menschen in 11 Ländern durch (Brasilien, China, Indien, Kenia, Marokko, Mexiko, Polen, Saudi Arabien, Thailand, Ukraine und USA). Dabei achtete man darauf, möglichst vielfältige Bevölkerungsgruppen zu befragen – ländlich und urban, unterschiedliche Altersgruppen und Geschlechter sowie Bildungshintergründe.

Von allen verbliebenen Entwürfen schaffte es nur derjenige mit dem Totenkopf, die stärksten Reaktionen hinsichtlich der Botschaft „Todesgefahr“ zu erzeugen – bei allen Teilnehmern der Gallup-Forschung.

Zuletzt stand noch die Schwierigkeit im Raum, das Zeichen könne zu großen Alarmismus und Ablehnung gegenüber allem Radioaktiven erzeugen (beispielsweise im medizinischen Bereich). Daher entschied man sich, das neue Zeichen nur für Strahlungsquellen der höchsten Kategorien zu verwenden und nur auf dem finalen Behälter – nicht schon Umverpackungen, Containern oder Zugangstüren.

Zugegeben, der Aufwand für dieses Zeichen war enorm hoch. Was die Schritte und beteiligten Spezialisten anbelangt, funktioniert es allerdings bei allen Sicherheits- und Verkehrszeichen im Wesentlichen genauso: Am Anfang steht immer eine zu übermittelnde Botschaft, entweder eine allgemeine Information oder ein gewünschtes oder untersagtes Verhalten.

Dann durchläuft die Botschaft die verschiedenen Stufen der sogenannten Semiotik. Diese multidisziplinäre Wissenschaft befasst sich mit grafischen, nichtschriftlichen Zeichensystemen. Hierin kommen verschiedene Profis zusammen, um die Botschaft zu einem grafischen Zeichen zu machen.

Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert setzt man auf eine möglichst sprachbarrieren- und grenzübergreifende Herangehensweise. 1910 etwa einigten sich Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Monaco, Österreich-Ungarn und Spanien auf eine Frühform von Verkehrszeichen: Vier runde Schilder mit blauem Hintergrund und weißer Schrift.

Sie warnten vor scharfen Kurven, unebenem Streckenverlauf, Kreuzungen und Bahnübergängen. Doch obwohl die Schilder gesetzliche Pflicht waren, waren die damaligen Staaten nicht sonderlich eifrig beim Aufstellen. In den ersten Jahrzehnten enthielten viele Schilder noch Werbung oder einen anderen Hinweis darauf, wer sie gestiftet bzw. aufgestellt hatte. Erst, als die Werbung überhandnahm und die eigentliche Message in den Hintergrund verdrängte, wurde diese Praxis verboten.

Fazit

Sicherheits- und Verkehrszeichen sehen simpel aus, transportieren aber dennoch eine große Menge an Informationen. Diese Einfachheit ist für den angedachten Zweck dringend nötig, denn je simpler die Gestaltung, desto leichter und universeller verständlich wird es. Damit es gelingt, Zeichen zu erschaffen, die von jedem möglichst auf Anhieb verstanden werden, ist ein enormer Aufwand vonnöten.