Indien und Pakistan: An der Schwelle zum Krieg
Ein Massaker, Vergeltungsschläge und ein geopolitisches Pulverfass - der jahrzehntelange Konflikt um Kaschmir droht zu eskalieren.
Ein Massaker, Vergeltungsschläge und ein geopolitisches Pulverfass - der jahrzehntelange Konflikt um Kaschmir droht zu eskalieren.
Es ist die gefährlichste Zuspitzung seit Jahren: Nach einem brutalen Massaker im indisch verwalteten Kaschmir hat Indien am Mittwochmorgen Luftangriffe auf Ziele in Pakistan und dem pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs geflogen. Was die Regierung in Neu-Delhi als gezielte Anti-Terror-Aktion bezeichnet, wertet Islamabad als „kriegerischen Akt“. Beide Seiten melden Tote - und Abschüsse gegnerischer Kampfjets. Die Angst vor einem neuen Krieg wächst stündlich.
Der Auslöser: Ein Blutbad in Pahalgam
Vor über zwei Wochen wurden in der Region Pahalgam, im indisch kontrollierten Kaschmir, 26 Zivilisten, darunter auch Touristen, bei einem Anschlag getötet. Indien macht dafür Pakistan verantwortlich und spricht von einem „Terrorakt“, hinter dem mutmaßlich pakistanische Gruppierungen stehen sollen. Islamabad weist die Vorwürfe zurück.
In der Nacht auf Mittwoch startete Indien jetzt Luftschläge auf sogenannte „terroristische Infrastrukturen“ in Pakistan sowie im pakistanisch kontrollierten Kaschmir. Laut indischer Regierung ist dies die angemessene Antwort auf das Massaker in Pahalgam. Der indische Innenminister Amit Shah sprach auf X von einem „stolzen Moment“ für das Militär und kündigte an, dass Indien jeden Angriff auf seine Bevölkerung „entschlossen beantworten“ werde.
Diplomatische Eiszeit: Visastopp und Ausweisungen
Doch Indien reagierte nicht nur militärisch: In einem beispiellosen Schritt setzte Neu-Delhi auch ein deutliches politisches Signal und forderte alle im Land befindlichen pakistanischen Staatsbürger auf, Indien zu verlassen. Bereits vergebene Visa wurden annulliert, Grenzübertritte blockiert und diplomatische Verbindungen massiv eingeschränkt. Auch der wirtschaftliche Austausch wurde auf Eis gelegt. Dieser drastische Kurs markiert einen der härtesten Brüche im bilateralen Verhältnis der letzten Jahrzehnte.
In der Region Jammu und Kaschmir herrscht Ausnahmezustand. Die Behörden haben begonnen, Menschen aus besonders gefährdeten Dörfern zu evakuieren. Viele Bewohner sprechen von der heftigsten Bombardierung seit Langem. Während sich manche in Kellern verstecken, jubeln andere über die militärische Reaktion Indiens. Die Gesellschaft ist gespalten zwischen Angst und nationalistischem Stolz.
China warnt, Weltgemeinschaft bangt
Auch international sorgt der Konflikt für Besorgnis. China, das sowohl mit Indien als auch mit Pakistan Nachbarstaat ist, zeigt sich „besorgt über die Eskalation“ und ruft beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Peking gilt als enger Partner Pakistans und hat wirtschaftlich wie militärisch bedeutenden Einfluss in der Region. Die USA und Europa beobachten die Lage ebenfalls mit Sorge, auch wenn sich bislang keine offiziellen Reaktionen aus Washington oder Brüssel vernehmen ließen.
Ein alter Konflikt mit neuer Sprengkraft
Der Kaschmir-Konflikt ist eine der ältesten ungelösten Territorialfragen der Welt. Seit der Teilung Britisch-Indiens 1947 streiten Indien und Pakistan um die Region - drei Kriege wurden bereits geführt. Beide Länder verfügen über Atomwaffen, was jede militärische Auseinandersetzung potenziell global gefährlich macht.