Springender Mann mit Cap im orangenen T-Shirt
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Zu lange ein Tabu-Thema

Gegen Vereinsamung: Wird es in Deutschland bald ein Anti-Einsamkeits-Amt geben?

Die britische Staatssekretärin Tracey Crouch soll sich künftig gegen die Vereinsamung der englischen Gesellschaft einsetzen. Politiker der CDU und SPD sprechen sich nun ebenfalls für ein solches Amt in Deutschland aus.

Gegen Einsamkeit

Angaben des britischen Roten Kreuz' zufolge fühlen sich von 66 Millionen Brtien mehr als neun Millionen dauerhaft oder häufig einsam. Dazu zählen "Menschen, die niemanden haben, mit dem sie reden oder ihre Gedanken und Erfahrungen teilen können", wird Premierministerin Theresa May von "Spiegel Online" zitiert. Dem stetigen Anstieg dieser Personengruppe will die britische Regierung nun mithilfe politischer Maßnahmen und Partei übergreifenden Projekten entgegengewirken. Als Ministerin des "Anti-Einsamkeits-Amtes" wurde die 42-jährige Konservative Tracey Crouch ernannt. Sie tritt das Erbe der verstorbenen Labour-Politikerin Jo Cox an. Die 41-Jährige Unterhausabgeordnete, die sich für einen Verbleib Großbritanniens in der EU eingesetzt hatte, wurde Mitte Juni 2016 von einem rechtsextremen Angreifer getötet. Sie hatte die Anti-Einsamkeits-Initiative "Jo Cox Loneliness" ins Leben gerufen.

Vereinsamung in Deutschland
Der gesundheitspolitische Experte der SPD, Karl Lauterbach, sprach sich im Interview mit der "BILD-Zeitung" für ein solches Amt auf deutschem Grund aus. "Es muss für das Thema Einsamkeit einen Verantwortlichen geben, bevorzugt im Gesundheitsministerium", gibt er dort an. Zudem sieht er die Behandlung dieses ernsten Themas als ein wichtiges in den kommenden Koalitionsverhandlungen an. In Deutschland fühlen sich, laut einer Studie des Marktforschungsinstitus "Splendid Research", vier von fünf Menschen manchmal einsam. Marcus Weimberg, der familienpolitische Sprecher der Union ergänzt im "BILD"-Interview: "Wir brauchen eine Enttabuisierung des Themas Einsamkeit, damit einsame Menschen eine Lobby haben und Einsamkeit nicht in einer Schmuddel-Ecke bleibt". Der Soziologe und Dozent Janosch Schobin der Universität Kassel griff diese Thematik für sein Forschungsprojekt "Gesellschaftliche Dynamiken der Einsamkeit" auf und legt dar, dass sich die Zahl der Amtsbestattungen in deutschen Großstädten seit 2000 verdoppelt haben. Als Ordnungsamtsbestattung bezeichnet man die Beerdigung eines Menschen, die vom Ordnungsamt finanziert und vollzogen wird. Oftmals betrifft dies Personen, die ohne Angehörige gelebt hatten. 

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Es kann jeden treffen

Einsamkeit macht vor keiner sozialen Schicht Halt. "Es gibt keine Altersgruppe, in der sich Menschen nicht einsam fühlen", sagt Psychologie-Professorin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum im "BILD"-Interview. In ihrer Studie erklärt sie, dass sich jeder siebte zwischen 45 und 65 Jahren einsam fühle. Einsamkeit reduziert die Lebenserwartung und führt viel häufiger zu Demenz-Erkrankungen. Ein politisches und gesellschaftliches Engagement ist vonnöten, um diesem Bevölkerungsübergreifenden Problem entgegenwirken zu können.