Amazon: Was steckt hinter den Ausbeute-Gerüchten?
Eintönige Akkordarbeit, Unterdrückung, Überforderung: Angeblich sollen Angestellte des Versandriesen ausgebeutet werden.
Eintönige Akkordarbeit, Unterdrückung, Überforderung: Angeblich sollen Angestellte des Versandriesen ausgebeutet werden.
Amazon ist in erster Linie für sein riesiges Warensortiment bekannt, seit neuestem auch für digitale Supermärkte. Unzählige Produkte, die man günstig online bestellen kann, werden schnellstmöglich direkt an die eigene Haustür geliefert. Bequemer geht's nicht – zumindest für die Kunden. Ganz anders soll es jedoch intern aussehen: Die Angestellten des Großkonzerns sollen laut der Reportage des Briten Alan Selby unter unmenschlichen Bedingungen beschäftigt sein.
Der Journalist Alan Selby, der für die britische Tageszeitung "The Mirror" arbeitet, schleuste sich als Undercover-Reporter fünf Tage lang in eine Lagerhalle des Versandgiganten ein, um als Angestellter hautnah die Bedingungen vor Ort recherchieren zu können.
Selbys Recherchen sollen nach Veröffentlichung der News unmenschliche Arbeitszustände ans Licht getragen haben. Demnach müssten Amazon-Angestellte während der Vorweihnachtszeit 55 Stunden pro Woche arbeiten - das sind elf Stunden täglich. Das deutsche Arbeitsgesetz sieht vor, dass ein Vollzeit Beschäftigter wöchentlich maximal 48 Stunden arbeiten darf - jedoch darf diese Zahl auch saisonbedingt, wie in der Weihnachtszeit, auf zehn weitere Stunden erhöht werden. "Im Gegenzug dazu muss innerhalb der folgenden sechs Monate vier Wochen nur für sechs Stunden pro Werktag gearbeitet werden. Das würde unter dem Strich eine durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag bedeuten", klärt die "Karrierebibel" auf. Hält Amazon dies ein, sind sie in Sachen Arbeitszeiten vollkommen im Recht.
Akkordarbeit
Alan Selby will jedoch weitere schwerwiegende Vergehen seitens des Unternehmens aufgedeckt haben. Alle 30 Sekunden wird demnach von Mitarbeitern verlangt, Waren Versandbereit in Paketen verpackt zu haben. Hochgerechnet sind das 120 Pakete, die Angestellte in der Dependence in Essex, binnen 60 Minuten fertigstellen müssten. Laut Selby gibt es jedoch noch eine Steigerung. So soll es Kollegen geben, die sich auf 200 Pakete hocharbeiten sollten - vermutlich um eine Gehaltserhöhung oder andere Forderungen an das Unternehmen stellen zu dürfen. Das Ergebnis dieser Rahmenbedingungen, die Alan Selby aufgedeckt haben will, zeigt dieser auf einem heimlich aufgenommenem Schnappschuss. Darauf zu sehen: Ein Angestellter, der während seiner Tätigkeit im stehen einschlief. Ob dieser jedoch tatsächlich durch etwaige Arbeitsbedingungen erschöpft und ausgelauft war oder sich nur eine kurze Ruhephase gönnte, belegt das Foto nicht.
In seiner im "The Mirror" erschienenen Reportage berichtet Selby des Weiteren, dass der Arbeitgeber dem Angestellten die Toilettenzeiten vorschreiben würde. Im Gegenzug für seine Arbeit erhielt der Undercover-Journalist nach eigenen Angaben einen Stundenlohn von 8,20 Pfund, umgerechnet etwa neun Euro. Das britische Gesetz sieht einen festgelegten Mindestlohn von 7,20 Pfund vor - das entspricht 8,05 Euro. Der in Deutschland geltende Mindestlohn liegt seit dem 1. Januar 2017 bei 8,84 Euro (Brutto/je Zeitstunde). Vergleicht man diese Zahlen wird auch hier deutlich, dass sich Amazon rechtlich abgesichert hat und den Angstellten etwas mehr als den Mindestlohn ausbezahlt.
Nach Veröffentlichung des Beitrags bat Amazon Public Relations Manager Michael Schneider darum, folgende Punkte, die Arbeitsbedingungen in allen Logistikzentren betreffend, zu erläutern. Dies tun wir nach Wortlaut des Schriftverkehrs.
Amazon bietet allen Beschäftigten wettbewerbsfähige Löhne. Diese liegen für Logistikmitarbeiter am oberen Ende dessen, was in vergleichbaren Jobs bezahlt wird. Der Stundenlohn dieser Beschäftigten beträgt an allen deutschen Standorten umgerechnet mindestens 10,52 Euro brutto. Im Ihrem Sendegebiet liegt der Standort Koblenz, dort liegt der Einstiegsbasislohn bei umgerechnet 11,20 Euro brutto. Saisonarbeiter erhalten hierbei denselben Grundlohn wie vergleichbare unbefristete Beschäftigte. Zusätzlich zu diesen Löhnen bietet Amazon Bonuszahlungen während der Weihnachtssaison sowie Mitarbeiterrabatte.
Die Zusatzleistungen seitens Amazon umfassen Mitarbeiteraktien der Amazon.com, Inc., eine kostenlose Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge und einen Familienbonus. Alle deutschen Logistikzentren sind mit einer Kantine ausgestattet, die gesunde und preisgünstige Mahlzeiten anbietet, welche von Amazon bezuschusst werden.
Darüber hinaus bietet Amazon seinen Mitarbeitern im Rahmen des Career-Choice-Programms in Deutschland die Möglichkeit, neben ihrer Tätigkeit neue Qualifikationen zu erwerben. Die teilnahmeberechtigten Mitarbeiter wählen aus einem umfangreichen Kurskatalog, wobei die Qualifikationen für ihre Arbeit innerhalb des Logistikzentrums nicht relevant sein müssen. Im Rahmen des Career-Choice-Programms bezahlt Amazon 95 Prozent aller Schulungs- und Ausbildungsgebühren bis zu einem Gesamtbetrag von 8.000 Euro über eine Dauer von bis zu vier Jahren.
Toilettenpausen:
Unsere Mitarbeiter können zu jeder Zeit die Toilette benutzen. Wir kontrollieren die Einhaltung von Toilettenpausen nicht und stellen darüber hinaus in den Logistikzentren Trinkwasserspender zur Verfügung, damit unsere Mitarbeiter während ihrer Schichten immer schnellen Zugang zu Wasser haben. Das gilt für Deutschland und Großbritannien gleichermaßen.
Arbeitszeit:
Die Arbeitszeit am Standort Koblenz beträgt regulär 38,75 Stunden/Woche.
Amazon ist ein guter Arbeitgeber und bietet über 12.000 attraktive Arbeitsplätze in Deutschland. Wir achten auf die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Belegschaft. Auf unseren Logistikblog sehen Sie, wie Krankenkassen das Gesundheitsmanagement bei Amazon einschätzt.