Springender Mann mit Cap im orangenen T-Shirt
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George Orwells "1984" lässt grüßen

"Schufa des Lebens": So sollen Chinas Bürger überwacht und bewertet werden

Durch das neues Sozialkredit-System Chinas sollen Bürger für ihr Benehmen belohnt und für Fehlverhalten bestraft werden. Ist das die totale Überwachung?

Punkte sammeln

In der Schule haben wir uns alle gefreut, wenn die Lehrer uns einen Stern oder einen Smiley ins Heft geklebt hatten – gut gemacht! Bei schlechtem Verhalten gab es dementsprechend ein trauriges Gesicht. Bei besonders gutem Benehmen bekamen wir gelegentlich sogar eine kleine Süßigkeiten-Belohnung. Unartige Kinder wurden indessen mit Strafarbeiten oder Nachsitzen für ihr Fehlverhalten bestraft – eine solide Methode, um dem Nachwuchs bewusstes Handeln und Konsequenzen beizubringen. Die chinesische Regierung will dieses System nun aber bis zum Jahr 2020 für all ihre Bürger einführen und dabei das gesamte Leben und Verhalten jedes Einwohners detailliert dokumentieren und anhand eines Punktesystems bewerten.

Springender Mann mit Cap im orangenen T-Shirt
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"Schufa des Lebens"

In der Großstadt Rongcheng an der chinesischen Küste findet das Sozialkredit-System laut dem "Deutschlandfunk Kultur"-Magazin bereits Anwendung. Gutes Benehmen der Bürger wird mit Bonuspunkten gewürdigt. Bei Fehlverhalten, wie dem Übertreten einer roten Ampel gibt es Punktabzug. Anhand einer Bewertungsskala werden die Einwohner dann in Kategorien von AAA – sehr gut – bis D – sehr schlecht – eingeteilt.

Bürger mit A-Level kommen auf die sogenannte "rote Liste" und erhalten Begünstigungen, Kredite und sogar Beförderungen und Job-Angebote. Schwarzfahrer oder Leute, die in Schlägereien verwickelt werden, geraten hingegen auf die "schwarze Liste". Wird man auf dieser erfasst, erschwert einem die Regierung das Leben enorm – öffentliche Verkehrsmittel dürfen nicht verwendet werden, Kredite und Wohnungskäufe sind praktisch ausgeschlossen. In einigen Fällen klopft sogar direkt die Polizei an der Tür.

Springender Mann mit Cap im orangenen T-Shirt
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1984

Um lückenlos sämtliche positive und negative Aktivitäten der Bürger zu sammeln und auszuwerten, sollen den Machthabern alle möglichen Mittel zur Verfügung stehen. Bewertet werden neben öffentlichen Überwachungsaufnahmen, dem Kontostand und dem polizeilichen Führungszeugnis auch Social-Media-Posts und sogar private Anrufe und Nachrichten. Das Verhalten bei der Arbeit soll genauso wie die persönliche Beziehungshistorie ebenfalls in das soziale Ranking miteinfließen.

Das Ergebnis ist eine vollständige Überwachung und Kontrolle des Lebens jedes Chinesen. Ein derartiges Szenario wurde bereits in George Orwells Literatur-Klassiker "1984" beschrieben – in nicht einmal drei Jahren soll genau das jedoch zur Realität von über 1,3 Milliarden Menschen werden. Jedes Wort, jede Bewegung wird registriert und ausgewertet. Unerwünschte Posts werden entfernt, zensiert und private Nachrichten über politische Themen oder kritische Aussagen erreichen den Empfänger nie – die Behörden allerdings schon.

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Was nicht passt …

… wird passend gemacht. Die Machthaber besitzen die vollständige Freiheit, durchzusetzen, was sie möchten. Ist man der Regierung ein Dorn im Auge, kommt man eben auf die schwarze Liste. In Deutschland wird über jede Entscheidung des Bundestags hitzig diskutiert – in China wird den Bürgern diese "Bürde" abgenommen. Und was passiert, wenn jemand zu Unrecht Minuspunkte erntet? Dann hat man wohl einfach Pech – oder will man wirklich der Regierung wiedersprechen und die schwarze Liste riskieren? Bis zum Jahr 2020 soll das Sozialkredit-System stehen – bis dahin gilt es aber noch, die technischen Hürden der totalen Überwachung zu überwinden. Ob diese "Utopie" also wirklich in dem geplanten Zeitraum realisiert werden kann, bleibt abzuwarten.