Springender Mann mit Cap im orangenen T-Shirt
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Rührende Geschichte

Frau verzeiht dem Täter, der ihr ins Gesicht geschossen hat

27 Jahre nach der grausamen Tat fasst sich die heute 54-Jährige Debbie Baigrie ein Herz. Sie vergibt ihrem Peiniger Ian Manuel nicht nur, sondern hilft ihm auch noch aus dem Gefängnis.

Könntet Ihr jemals jemandem verzeihen, der Euch absichtlich fast getötet hat? Vermutlich nicht, oder? Vor genau 27 Jahren wurde Debbie Baigrie Opfer einer schlimmen Gewalttat. Ein bewaffneter Mann schoss ihr damals direkt in den Mund und riskierte damit ihren Tod - absichtlich. Doch von Hass ist bei Debbie nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Sie gibt dem Täter, der ihrem Leben fast ein Ende gesetzt hat, knapp 30 Jahre später eine zweite Chance.

Wie alles begann

Vor 27 Jahren begegneten sich Debbie Baigrie und Ian Manuel zum ersten Mal in ihrem Leben. Damals war das Fitnessmodel gerade einmal 28 Jahre alt und gerade ein zweites Mal Mutter geworden. Ian hingegen war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 13 Jahre alt. Der Tattag: Debbie war gerade auf dem Weg zu ihrem Auto in der Innenstadt von Tampa, als Ian und sein Freund ihren Weg kreuzten und sie nach Wechselgeld für eine 20 Dollar-Rechnung fragten. Nur einige Sekunden später zog der Teenager eine Waffe aus seiner Tasche und feuerte der jungen Mutter in den Mund. Die Kugel schoss durch ihre Zähne sowie durch ihren Kiefer und kam aus der Wange wieder heraus. Das Model musste sich anschließend vielen Operationen unterziehen, da ihr Gesicht komplett entstellt wurde und rekonstruiert werden musste. Als Ian kurze Zeit später in einer Arrestzelle landete, gestand er seine grausame Tat der Polizei. Er wurde, trotz seines Alters, wegen versuchten Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt – und das drei Mal! Damit sitzt Ian 65 Jahre im Gefägnis. 

Rassismusvorwürfe 
Laut Manuels Anwalt sei bisher jedes Kind, das im Alter von 13 und 14 Jahren zu einer lebenslänglichen Haft ins Gefängnis gesperrt worden sei, von schwarzer Hautfarbe gewesen. Zwei Jahre saß Ian Manuel bereits seine Strafe ab - dann entschied er sich, Kontakt zu der Frau aufzunehmen, deren Leben er beinahe ausgelöscht hat. Debbie fragte ihn daraufhin, warum er überhaupt auf sie geschossen hatte. Seine Antwort: "Es war ein Fehler“. Gegenüber der "New York Times“ erzählt die zweifach-Mama in einem Interview, dass sie sehr betroffen vom Schicksal ihres Täters ist. "Ich konnte nicht essen. Ich war wütend. Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht. Er war doch noch ein Kind“.

Aus Feinden wurden Freunde

Seit 2014 kämpft Debbie nun für Ians Entlassung aus dem Gefängnis. Dabei erzählt sie weiter im Interview: "Wenn Ian ein süßer weißer Junge gewesen wäre, mit Grübchen und blauen Augen, wäre das alles nicht passiert“. Krasse Worte eines Gewaltopfers. Der 39-jährige Ian Manuel ist ohne einen Vater aufgewachsen, seine Mutter hatte Drogenprobleme. Bereits mit 13 Jahren wurde er 16 Mal wegen krimineller Vergehen verhaftet. Doch warum ist Debbie so besessen darauf, den Mann, der vermutlich ein Teil ihres Lebens zerstört hat, unbedingt aus dem Gefängnis zu befreien? Durch den ständigen Kontakt, den die beiden durch Briefwechsel oder Telefonate ausübten, bekam Debbie das Gefühl, dass sich Ian verändert hat und seine Tat zutiefst bereut. 

Entlassung nach 26 Jahren
Nach 26 Jahren, drei Monaten und zehn Tagen Haft geschieht nun das scheinbar Unmögliche: Am 10. November 2016 wird Ian auf Debbies Wunsch hin freigesprochen und kann nun ein Leben außerhalb des Gefängnisses führen. Und was tut der Mann, dem eine zweite Chance im Leben gewährt wurde? Er geht mit der Person, die jahrelang für seine Freilassung gekämpft hat, gemeinsam Pizza essen. "Es ist wie eine Wiedervereinigung mit einem lang verschollenen Sohn“, berichtet Debbie der "DailyMail“. "Ich bin aus dem Auto ausgestiegen und wir haben uns ungefähr zwei Minuten lang umarmt“. Seinen ersten Abend in Freiheit wird Ian wohl niemals vergessen. Stolz posten er und seine neu gewonnene Freundin Selfies auf Facebook. "In einer Welt der Rassentrennung, der politischen Kluft, dem Mangel an Mitgefühl und des Vergebens … Hier sitzen wir, Ian und ich, 27 Jahre nachdem er auf mich geschossen hat, als er 13 Jahre alt war. Genau heute wurde er nach 26 Jahren freigelassen und ich war so glücklich, bei seinem ersten Abendessen dabei sein zu dürfen“, schreibt die 54-Jährige unter eines der Bilder von diesem Abend.

Vor Debbie und ihrer Courage, ihrem Mut und der Liebe, die den Hass überwog, kann man nur den Hut ziehen.